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Artikel Theologie |
Peter F.
Schmid |
aus: Fürst, Walter / Werbick, Jürgen (Hg.), katholische Glaubensfibel, Rheinbach (CMZ) 2004
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Gespräch, Begegnung, Dialog, Gott, Seelsorgegespräch, Empowerment, way of life
Was den Menschen auszeichnet, ist unter anderem das Gespräch. Es ist – in verbaler und nonverbaler Form - eine zentrale Form menschlicher Kommunikation. Als Unterredung dient es zur Mitteilung, zum Gedankenaustausch oder zur Besprechung einer Sache oder Angelegenheit, sei es in der Konversation als unterhaltendes Gespräch, in der Debatte als Streitgespräch, in der Diskussion als Meinungsaustausch und oder im Diskurs als methodisch aufgebaute Erörterung. Auf Sokrates geht es zurück, dass wir das Gespräch als Methode zur Findung von Wahrheit und Norm betrachten und als grundlegende Form des Lehrens und Lernens verstehen.
Im Gespräch geschieht aber noch mehr als Austausch von Information: Wir teilen nicht nur etwas mit, wir teilen uns selbst mit, wir „offenbaren“ uns. Im Gespräch treten Menschen miteinander in Beziehung und suchen nicht nur Verständigung, sondern Verständnis. Im Gespräch schenken wir einander Anerkennung und Wertschätzung. Dabei zeigen wir uns selbst als Person und anerkennen den anderen als Person. Ein echtes Gespräch, das diesen Namen verdient, ist also immer personzentriert: Es stellt die Person in ihrem Wert, ihrer Würde und ihren Fähigkeiten in den Mittelpunkt. Der französische Schriftsteller Albert Camus bringt es auf den Punkt: „Das echte Gespräch bedeutet: aus dem Ich heraustreten und an die Türe des Du klopfen.“ So treten wir in Dialog.
Im Dialog kommen die Beteiligten als sie selbst zu Wort. Das Wesen des Dialogs besteht darin, dass keiner den anderen als Mittel zu irgendeinem Zweck missbraucht, sondern der Mensch sich einem anderen Menschen unmittelbar und um seiner selbst willen zuwendet. Gesprochen wird dabei nicht, um Recht zu haben, zur Selbsterhaltung, Selbstbehauptung und Selbstdurchsetzung, sondern um den anderen (oder die andere) wirklich als einen „Anderen“, von mir Verschiedenen, in seinem eigenen Wert und Selbstverstehen ernst zu nehmen und anzuerkennen. Die Gesprächspartner verzichten auf Machtausübung über einander und verwenden ihre Macht stattdessen zur wechselseitigen Er-mächt-igung (Empowerment).
In einem solchen Gespräch findet Begegnung statt. Personale Begegnung bedeutet, sich vom Wesen der gegenüberstehenden Person betreffen zu lassen. Das „Gegenüber“ ist dabei für die Be-geg(e)n-ung entscheidend: Begegnung geschieht, wo einen Unerwartetes trifft und „entgegen“ steht. Das heißt, es ist davon auszugehen, dass wir den Anderen nicht von vornherein bloß als ein anderes Ich und damit als etwas prinzipiell Bekanntes ansehen. Er ist vielmehr jemand, der uns staunen macht und uns unbedingten Respekt abverlangt, der uns etwas zu sagen hat und von dem wir zu einer Antwort aufgerufen sind - wie es der litauische Philosoph Emmanuel Levinas treffend formuliert: „Einem Menschen begegnen, bedeutet, von einem Rätsel wach gehalten zu werden.“ Erst aus der vollen Anerkennung der Differenz ist echte Kommunikation und Kommunion (Gemeinschaft) möglich.
Nach dem Zeugnis der Bibel hat Gott von Anfang an das Gespräch mit den Menschen gesucht, unüberbietbar „zuletzt“ in Jesus, dem „Wort“ (Joh 1). Im Gespräch teilt sich Gott dem Menschen mit. Aber mehr noch: In christlicher Sicht ist der dreieinige Gott selbst Gemeinschaft, Dialog. Gott selbst ist Gespräch und er sucht das Gespräch. Seine Zuwendung zu den Menschen, seine Offenbarung, geschieht dialogisch.
Als Ebenbild des dialogischen Gottes ist der Mensch zu einer dialogischen Existenz berufen – zur Begegnung und zum Gespräch mit Gott und mit seinen Mitmenschen. Das heißt, jeder Mensch ist zur Antwort auf das Wort aufgerufen, das Gott zu ihm durch seine Mitmenschen spricht. Dialog ist daher aus christlicher Sicht die einzig angemessene Weise, sich zu Gott und zueinander zu verhalten und miteinander zu kommunizieren. Den Dialog mit dem Schöpfer sieht das II. Vatikanische Konzil als „innigste und lebenskräftigste Verbindung mit Gott“: „Ein besonderer Grund für die Würde des Menschen liegt in der Berufung zur Gemeinschaft mit Gott. Zum Dialog mit Gott wird der Mensch schon von seinem Ursprung her eingeladen: er existiert nämlich nur, weil er, von Gott aus Liebe geschaffen, immer aus Liebe erhalten wird.“ Dabei ist der Mensch nicht als ein Einziger, Einzelner erschaffen, sondern auf Gemeinschaft hin. Als Mann und Frau geschaffen (Gen 1,27), ist der Mensch fundamental auf Pluralität und damit auf den Dialog und die Begegnung mit dem Anderen verwiesen. Auch so besehen gilt der Satz des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“
Dialog gehört daher auch zum Wesen der Kirche und muss das fundamentale Grundmuster kirchlicher Kommunikation nach innen wie nach außen sein. Was die Kirche mitzuteilen hat, ist nur im Sinne des Dialogs mitteilbar. In diesem Sinne ist die Kirche das Sakrament des Dialogs.
Die Humanwissenschaften haben viel dazu beigetragen, das Gespräch und die zwischenmenschliche Kommunikation besser zu verstehen. Das gilt im Besonderen für das hilfreiche Gespräch und die Beratung. Dies kann gelingen, wenn die helfende Person dem Gesprächspartner authentisch begegnet, ihn ohne Bedingungen wertschätzt und ihn einfühlsam zu verstehen sucht. Dann ist es allein die personale Begegnung selbst, die hilfreich ist, weil sie die Autonomie und das eigene Potential zur Entwicklung der Persönlichkeit des Gesprächspartners ernst nimmt und ihn im Sinne des Empowerment dabei unterstützt.
Dasselbe gilt für das Seelsorgegespräch in seinen vielfältigen Formen: Seelsorge, verstanden als wechselseitige Unterstützung und Förderung von Christinnen und Christen bei ihrem Christsein, findet daher im Dialog und als Dialog statt. Jeder Christ ist dazu aufgerufen, mit anderen ins Gespräch zu treten und solcherart Seelsorger zu sein. Gespräch und Begegnung können daher nie bloß Methode der Seelsorge sein, sie sind vielmehr Lebensprinzip, im Sinne des Handelns Jesu, der gekommen ist, „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). In der Sicht des Christentums, einst als „der neue Weg“ bezeichnet (Apg 24,14), ist es der „way of life“, im Gespräch zu sein.
Zum Weiterlesen
Buber, Martin, Ich und Du, Heidelberg
(Lambert Schneider) 81974.
Schmid, Peter F., Personale Begegnung, Würzburg (Echter) 32004.
Weitere Literatur unter www.pfs-online.at.