Artikel Theologie  

Peter F. Schmid

Seel-Sorge und Körper-Sorge
Eine kleine Kairologie der Leiblichkeit

© Diakonia 33,4 (2002)

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Abstract

Der gegenwärtig trendige Körperkult zeigt an, dass hier ein gewaltiger Nachholbedarf im Bewusstein und in der Praxis besteht. Wie in vielen Bereichen unseres Lebens, haben wir auch in Glaube, Seelsorge und Theologie unser „Fleisch“ sträflich vernachlässigt. Dies gilt für das tägliche Leben ebenso wie für unser Verständnis von uns selbst und ist damit eine Herausforderung für die Pastoral wie für die Theologie.

Stichwörter

Körper, Leib, Leib und Seele, Anthropologie, Inkarnation, Seelsorge, Riten, Körpersprache, Caritas, Sexualität.

„Das Wort ist Fleisch geworden.“ (Joh 1,14) „Ich glaube an die Auferstehung des Leibes.“

Sätze — ist man sich tatsächlich dessen bewusst, was man da sagt — provokant wie eh und je. Auferstehung, ja natürlich! Aber Auferstehung des Leibes, „des Fleisches“?[i] Wo wir doch gelernt haben, es gelte das Körperliche als das Irdische zu überwinden?

Die Sätze stammen allerdings bekanntlich aus der christlichen Bibel und dem christlichen Glaubensbekenntnis, nicht aus manichäischen und nicht aus buddhistischen Schriften.

Unser Körper ist uns einerseits fremd geworden ...

Seltsam, dass man es im Zeitalter von Jogging und Massensport, Body­building und Erotikkultur, Cholesterinkontrollen, Wellness-Centern und Fitnesstests immer noch betonen muss: Wir Menschen haben nicht nur einen Körper, den wir gebrauchen können, wir sind Leib.

Der durchschnittliche Mensch nimmt von seinem Körper nämlich nur bei wenigen Tätigkeiten oder Ereignissen Notiz: Bei der Sexualität, beim Sport sowie bei Krankheit und Alter. Körperliche Kommunikation ist, außer bei und mit Kindern, weitgehend auf Sexualität verengt (Händeschütteln und, neueren Datums, Bussibussi-Geben ausgenommen); bei sportlicher Betätigung verlangen wir unserem Körper Höchstleistungen ab. Bei beiden gilt: Wehe er tut nicht (mehr) so, wie wir es gerne hätten. Und damit sind wir auch schon beim dritten Fall des „Einbruchs“ des Körpers in unser Bewusstsein: Wir bemerken unseren Körper vor allem dann, wenn er nicht so funktioniert, wie er soll — weil wir Schmerzen haben, krank sind oder alt werden: Der Körper „macht nicht mehr mit“, „er quält uns“ oder wir „fühlen uns in ihm gefangen“ und möchten am liebsten „aus der Haut fahren“.

Sonst behandeln wir den Körper vielfach wie eine Maschine, die zuerst von den Eltern und später vom Hausarzt instand gehalten werden soll[ii] und von der wir erwarten, dass sie selbstverständlich funktioniert.

Wir gebrauchen zwar andauernd Wendungen, die auf dem engen Zusammenhang zwischen seelischem Erleben und körperlicher Erfahrung beruhen. So sagen wir etwa, ein Erlebnis „fährt uns in die Knochen“ oder ein Problem „liegt uns im Magen“  (in Wien sogar „es magerlt uns“). Es „läuft uns etwas über die Leber“, „die Haare stehen uns zu Berge“ und etwas „geht uns auf die Nerven oder die Nieren“, während anderes wieder „unser Herz höher schlagen“ lässt. Etwas ist nicht „nach unserem Geschmack“, oder wir „können jemanden nicht riechen oder sehen“. Und wenn wir unsere eigene Erfahrung betonen wollen, so sagen wir überhaupt, wir hätten es „am eigenen Leib erfahren“; wenn wir etwas gestalten, so „hand-eln“ wir.

Doch die Sprache des Leibes — instrumentalisierend und psychologisierend zur „Körpersprache“ verfremdet, die man benützt, um etwas auszudrücken oder um jemandes Verhalten zu interpretieren — ist uns vielfach fremd geworden. Das aber heißt: Wir sind uns selbst fremd geworden, ent–fremdet.

Diese Entfremdung von uns selbst zeigt sich wiederum vielfach im Körperlichen: Seien es „gewöhnliche“ Krankheiten, die uns heimsuchen, oder sogenannte psycho–somatische Erkrankungen, die von den Betroffenen meist erst nach langer, leidensvoller Zeit als solche verstanden werden und anzeigen, dass der Mensch als ganzer krank geworden ist und als ganzer Heilung sucht.

... andererseits nimmt der Körperkult bizarre Formen an

Auf der anderen Seite ist allenthalben ein  Körper–Boom zu finden, der zum Teil groteske Blüten treibt: Wenn der jugendlich gestylte Körper zum Fetisch wird; der Körper idealisiert oder verabsolutiert wird;  wenn sich Menschen Tag und Nacht mit Schuldgefühlen wegen tatsächlichen oder vermeintlichen Übergewichts quälen; wenn sich mit (teils lebensgefährlichen, teils kontraproduktiven) Diäten Milliarden verdienen lassen; wenn sich vor allem Frauen, immer mehr aber auch Männer sogar buchstäblich zu Tode hungern; wenn Lauf–„Päpste“ die neuen Autoritäten und Fitness-Studios die modernen Kathedralen sind, in die das Volk strömt, und das meditative Schwitzen an Fit-Trimm-Maschinen oder das Endorphin-Ausstoß heischende Joggen die neue Form des Rosenkranzgebets darstellen; wenn Schönheitsideale Menschen in unglaublicher Weise normieren und fremdbestimmen und Körper-Styling als primäres Medium der Selbst­inszenierung dient; wenn Barbie-Puppen zum Kultobjekt und Vorbild für Mädchen werden; wenn die schönheits-chirurgisch modellierte Maske das menschliche Gesicht ersetzt; wenn die Pose die Gestalt ablöst;  wenn der Körper in vielfacher Hinsicht vermarktet und damit zur Ware degradiert wird.

Langsam wird uns nun bewusst, welche Gewalt unseren Körpern angetan wird, nicht nur bei buchstäblichen Vergewaltigungen, und welche Gewalt wir uns selbst antun — wenn wir uns beispielsweise langsam aber sicher durch ungesunde Ernährung „zu Tode (fr)essen“ oder durch Arbeit zu Grunde richten und kaputt machen. (Der Gewalt in umfassendem Sinn ist übrigens das nächste Heft der DIAKONIA gewidmet.)

Knapp bevor der gentechnologisch gezüchtete Wunschkörper machbar scheint und geklonte Idealkörper präsentiert werden, scheint verstärkt das Bewusstsein aufzukommen, dass wir mit all dem unweigerlich in eine Sackgasse laufen.

Wir haben einen Körper, wir sind Leib

Nicht nur in der „Psycho“–Therapie, in welcher historisch vielfach gegen den Widerstand etablierter Richtungen die Körperpsychotherapie als Gegenposition entwickelt wurde, auch in der „Seel“–Sorge beeilt man sich immer mehr zu betonen: Es geht um den ganzen Menschen, um den Menschen „mit Leib und Seele“. Es lässt sich nicht mehr übersehen, dass Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung auch wesentlich leibliche Entwicklung sind.

Eine Gegenbewegung hat eingesetzt zur einseitigen Objektivierung des Körpers und seiner Instrumentalisierung. Eine neobarocke Kultur ist entstanden, die Vieles mit der Sinnlichkeit und Sinnenfreude des Barock gemeinsam hat. Letztlich soll der Körper nicht mehr bloß der Leistung oder der Lust dienen, er soll überhaupt nicht mehr „gebraucht“ werden. Er wird als eigener Wert bewusst.

Statt dem Körper, den wir „haben“, besitzergreifend oder distanzierend bzw. ignorant gegenüberzustehen, wird deutlich: Wir sind auch das, was wir als unseren Körper bezeichnen, wir sind leib–haftig.

Das Deutsche hat dafür zwei Wörter zur Verfügung, welche die verschiedenen Dimensionen bezeichnen, wie unter anderen Husserl, Scheler, Plessner, Merleau-Ponty und Marcel[iii] eindrücklich betont haben: Körper und Leib.

Der Körper als Materie, als Ding ist ein Gegenstand unter vielen. Er lässt sich betasten und naturwissenschaftlich, „objektiv“ erforschen. Durch ihn sind wir ein Teil der Welt und mit ihr, nicht zuletzt durch den Stoffwechsel, verbunden. Den Körper haben wir.

Aber da ist noch etwas anderes: Wenn meinem Körper etwas widerfährt, ein Kuss etwa oder ein Schlag, dann widerfährt es mir selbst. Wir sind mit unserem Körper so untrennbar verbunden, dass wir ihn mitmeinen, wenn wir „ich“ sagen. Wir sind unser Leib. Jedenfalls sind wir nur leibhaftig da.[iv]

„Ich“ bin aber mit meinem Leib auch nicht schlichtweg identisch; er ist vielmehr „eine Grenzzone zwischen dem, was ich bin, und dem, was ich habe, zwischen personalem Sein und gegenständlichem Haben der Dinge. Er ist Mittler, Medium meiner selbst. [...] Leiblichkeit bildet die vermittelnde Grundverfassung personalen Daseins.“[v]

Mit dem Leib wird also die personale Dimension des Körpers bezeichnet. (Das darf nun aber nicht wieder idealisierend missverstanden werden, wie es der in der Alltagssprache vielfach übliche, oft leicht abgehobene Gebrauch des Wortes „Leib“ nahe legen mag, während „Körper“ in den meisten Zusammenhängen „erdiger“, „konkreter“ klingt. Bei „leiblich“ und „leibhaftig“ klingt das für unsere Ohren schon eher an.)

Zu den Konstitutiva der menschlichen Person gehört ihre Leiblichkeit (Plessner, Rombold, Rotter). Seit dem 19. Jahrhundert ist die Leiblichkeit und damit verbunden die Sinnenhaftigkeit aus dem an­thro­pologischen Personbegriff nicht mehr wegzudenken. Über ihren Leib stellt die Person ihr Verhältnis zu sich, zu anderen und zur Welt dar.

Der Körper ist beides: Grenze und Verbindung. Wir stoßen an unsere Grenzen, wo die Grenzen unseres Körpers liegen (wobei aber die Sinne weiter reichen als unsere physische Begrenzung durch die Haut und auch unser Gedächtnis und Vorstellungsvermögen imstande sind, die Gegenwart auf die Vergangenheit und Zukunft hin zu überschreiten). Der Körper dient aber auch dem Kontakt und der Kommunikation mit anderen und der Welt: Mit ihm greifen und begreifen wir, mit ihm nehmen wir wahr und „geben wahr“, wir drücken uns aus und teilen uns mit. (Auch das sind körperliche Bilder.) Desgleichen sind Nähe und Distanz zwischen Menschen und zwischen dem einzelnen Menschen und den Gegen­ständen seiner Umwelt leibliche Gegebenheiten.

Der Leib ist also nicht einfach ein vorgegebenes Ding, er muss er–fahren und be–griffen werden (wiederum körperliche Bilder!). Der Leib ist uns zur Gestaltung (auf)gegeben wie das Leben. Wir leiben und leben.

Der Leib in den Grundvollzügen christlicher Praxis

Das Christentum gilt allgemein als leibfeindlich, nicht zuletzt wegen seines die Natur– und Humanwissenschaften weitgehend ignorierenden, amtlichen Verständnisses von Sexualität. Dabei ist es von seinem Kern her, im Gegensatz zu fernöstlichen Religionen etwa, dem Leib gegenüber positiv eingestellt, ja geradezu eine Religion der „Verherrlichung des Leibes“, Es steht dem Leib gegenüber nicht nur freundlich wohlwollend oder tolerant gegenüber, sondern die Auferstehung des Leibes gehört zu seinen prinzipiellen Glaubenssätzen.

Die Realität freilich schaut vielfach anders aus. Nur wenige Aspekte an Problemanzeigen und anstehenden Aufgaben seien genannt.

In der Verkündigung spielen körperliche Aspekte des Menschen oft wenig Rolle; früher war der Umgang mit dem Körper ein wichtiger Punkt in der Liste moralisierender Verbote. Denkt man an die oben angeführte gleichzeitige Körpervergessenheit und Körperfixiertheit, so öffnet sich ein weites Feld und eine lange Liste an Predigt- und Katechesethemen für eine zeitgemäße Verkündigungspraxis auf der Basis einer christlichen Anthropologie der Leiblichkeit. Die Fragen, die sich aus Gentechnik und Euthanasie ergeben, werden die Gesellschaft in nächster Zeit noch viel stärker beschäftigen. Aber auch, was die zeichenhafte Verkündigung betrifft, ist Vieles zu tun: Die Geste, die nonverbale Kommunikation müssen einen neuen Stellenwert bekommen (nicht nur in der Seelsorge mit Kindern, tauben und alten Menschen). Es gilt, die Kultur der Körper–Sprache weiter zu entwickeln.

In der Liturgie hat der Körper noch eher einen Stellenwert behalten. Verschiedene Körperhaltungen, das Singen, Prozessionen, sinnenfällige Gesten, Handlungen, Riten bei der Gestalt und der Gestaltung von Sakramenten und Sakramentalien. Trotzdem: Die Liturgie ist trotz ihrer Reform oft blass und blutleer geblieben. Als grundsätzlich körperlichem Geschehen steht ihr vielfach eine recht „entleiblichte“ Praxis gegenüber.  Das war nicht immer so, man braucht nur an Barock und liturgisches Brauchtum zu denken. Andererseits gibt es allenthalben die Suche nach neuen, leiblichen Ausdrucksformen. Hier gilt es, nicht nur in Extremen zu denken: Das eine Extrem sind zwanghafte Riten, die geradezu an eine phobische Abwehrhaltung gegen alles Spontane und sinnenhaft Menschliche denken lassen. Man nehme nur die peinlich genauen traditionellen Zelebrationsvorschriften. Man muss andererseits in unserem Kulturkreis nicht gleich den regelmäßigen Tanz in der Liturgie einführen und nicht immer gleich an ekstatische Verzückungen und Verrenkungen denken, will man körperlichen Ausdruckformen den ihnen gebührenden Platz einräumen. (Aber auch die Ekstase sollte ihren Ort haben; der wird in unseren Breiten allerdings wohl nicht im regulären Gemeindegottesdienst sein.) Kurz gesagt: Es geht um einen körperhaften, leibhaftigen, sinnenhaften Ausdruck des Glaubens.

Mit seiner untrennbaren Verbindung von Diakonie und Glauben hat das Christentum seit jeher die Liebe nicht nur geistig begriffen, sondern als „Caritas“ stets den „leiblichen Werken der Barmherzigkeit“ eine zentrale Stellung gegeben und damit zum Ausdruck gebracht: Schmerz und Leid gehören weder ignoriert noch verklärt. Hier haben sich die Kirchen, vor allem des Westens, nicht nur ihre größte Glaubwürdigkeit erhalten, hier wird der Glaube an die Auferstehung auch konkret, leibhaftig. Freilich gehört zu einer solchen Diakonie auch die Begleitung des Menschen in seiner körperlichen und damit auch in seiner geschlechtlichen, sexuellen Entwicklung, und zwar das ganze Leben lang. Hier besteht ein enormer Aufholbedarf: In der Seelsorge ist unter anderem ein neuer, unverkampfter Blick auf die Geschlechtlichkeit des Menschen, die Sexualitäten und die Geschlechterdifferenz dringend erforderlich.[vi]

„Mit Leib und Seele“ leben und glauben

Die Kirche, der „Leib Christi“ (!), muss sich des Themas auf allen Ebenen der Glaubensverständnisses und der Glaubenspraxis in neuer Weise annehmen, will sie wirklichen dem Menschen gerecht werden. Wenn in den Humanwissenschaften von „Embodiment“ („Verkörperlichung“) die Rede ist, so kann die Theologie hier auf eine reiche inkarnatorische Tradition verweisen. Wieder einmal muss uns offenbar in Form einer Fremdprophetie, von außen bewusst gemacht werden, was zum Zentrum unseres Eigenen gehört. Der Leib ist weder nur zu ertragen, noch bloß zu tolerieren und letztlich zu überwinden; er ist untrennbarer Bestandteil des Menschseins, der in die Auferstehung und damit die Beziehung zu Gott und das Leben mit Gott auf ewig hineingenommen ist.

Inkarnation — das heißt in bewusst provokant gewählter Sprache (wir hören es nur heute mehr kaum heraus): „Einfleischung“. Der Glaube muss sozusagen in Fleisch und Blut übergehen, wenn er wirklich christlicher Glaube sein will, weil er nur so der Glaube des ganzen Menschen ist.

Nur inkarnierter Glaube ist personaler Glaube. Nur über die Inkarnation führt der Weg zur Personalisation, zur wahrhaften Mensch–Werdung.

Christliche Seelsorge kann und darf nicht nur über das Wort gehen (wobei natürlich auch die verbale Sprache körperlich ist, nur eben oft sehr reduziert), Seelsorge muss auch leiblich, sinnenhaft stattfinden und sie muss auch „Leib-Sorge“ sein, will sie dem ganzen Menschen gerecht werden, wie ihn Gott geschaffen hat.

Der Leib muss eine zentrale Dimension der „Seel-“Sorge sein, Leiblichkeit eine wichtige Kategorie der Praktischen Theologie. Seelsorgerinnen und Seelsorger begleiten den Menschen bei der Entwicklung und beim Verfall des Körpers. Dabei ist weder Vergötzung noch Dämonisierung angesagt, sondern Heilung und Heiligung (das heißt von der Wortwurzel her: Ganzwerdung; vgl. engl. „whole“). Die spirituelle Dimension des Körpers muss ebenso wie die körperliche Dimension der Spiritualität ihren Platz haben und Ausdrucksformen weiterentwickeln und finden. Eine „Verleiblichung des Glaubens“ steht an.

In Richtung auf die Ganzheit der Person ist das unselige Erbe des neuplatonischen „Soma sema“ („der Leib ist das Grab der Seele“) und der karthesianischen Trennung von Körper und Geist zu überwinden. Christlicher Glaube bekennt: Der Leib ist nicht einfach das Vergängliche. In all seiner Gebrechlichkeit und Gebrochenheit ist er in die Erlösung des Menschen mithineingenommen.

Diese Überwindung ist wohl primär vom Leiblichen her anzugehen. Denn „Essen hält Leib und Seele zusammen“, heißt es; es heißt nicht: „Denken hält Leib und Seele zusammen.“ Und: Die Seelsorgerinnen und Seelsorger werden gut tun, dabei bei sich selbst zu beginnen und ihrem Leib die ihm gebührende Wertschätzung entgegenzubringen.

Freilich: Körperlichkeit heißt auch Sterblichkeit. Der Tod ist eine „Bedrohung“ des Leibes, eine, deren Überwindung nur im Glauben an das Fleisch gewordene Wort und die Auferstehung des Leibes möglich ist. Schon von daher ist klar: Es geht auch nicht um eine Einseitigkeit nach der anderen Seite.

Es gibt eine Zeit für Lust und eine Zeit für Aszese. Es gibt eine Zeit zu essen und eine Zeit zu fasten. Es gibt eine Zeit für Leistung und eine Zeit für Entspannung. Es gibt eine Zeit für gelebte Sexualität und eine Zeit für Enthaltsamkeit.

Der Leib macht einen Teil unserer Gestalt aus. Er ist uns zur Gestaltung ein Leben lang aufgegeben.

Anmerkungen

[i] Vgl. dazu das Themenheft „Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben“, DIAKONIA 27,3 (1996).

[ii]Vgl. A. Leeds, Lomi, ein ganzheitlicher Zugang zu persönlichem Wachstum, in: H. Petzold (Hg.); Die neuen Körpertherapien, Paderborn 51987, 314.

[iii] Vgl. zum Ganzen: P. F. Schmid, „Mensch sein heißt, leibhaftig zugegen sein“, in: ders., Personzentrierte Gruppenpsychotherapie, Bd. I: Solidarität und Autonomie, Köln 1994, 425-502. Dort auch Literaturangaben.

[iv] Der Leib ist dabei übrigens das Ursprünglichere, die existentielle Erfahrung; denn jede objektivierende Einstellung setzt das personale Selbstsein, also den Leib, voraus. Solange der Mensch lebt, ist der Körper eine Abstraktion, erst die Leiche ist „reiner Körper“.

[v] A. Wucherer-Huldenfeld, Philosophische Anthropologie. Vorlesungsskriptum Univ., Wien 1978/79, II, 101.

[vi] Vgl. das Themenheft DIAKONIA 27,4  (1996).

Autor

Peter F. Schmid, Univ. Doz. HSProf., Mag. Dr. theol., Praktischer Theologe, Pastoralpsychologe, Psychotherapeut und Supervisor in Wien und Graz.

Korrespondenz: A-1120 Wien, Koflergasse 4; E-Mail: pfs@pfs-online.at

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