Peter F.
Schmid Pastorale Beratung, Supervision und Psychotherapie in der Erzdiözese Wien |
Seit dem Jahr 1990 gibt es im Pastoralamt ein Referat für Psychotherapie und pastorale Beratung.* Der Leiter der Stelle ist Praktischer Theologe, Pastoralpsychologie, Personzentrierter Psychotherapeut und Supervisor. Das Referat hat mehrere Aufgaben: Unter anderem zählen dazu die Koordination der Supervision für die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter im Bereich des Pastoralamts, weiters verschiedene Aus- und Fortbildungstätigkeiten, beispielsweise für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Telefonseelsorge, sodann pastorale Beratung für die Seelsorgerinnen und Seelsorger in den verschiedensten Bereichen und Tätigkeiten und schließlich die Durchführung und Vermittlung von Psychotherapie für Personen vorwiegend aus dem kirchlichen Bereich. Dazu wird mit anderen ähnlichen diözesanen und österreichweiten Einrichtungen zusammengearbeitet. Alle diese Beratungstätigkeiten geschehen selbstverständlich streng vertraulich, auch dem Dienstgeber gegenüber.
Supervision: "Service" für die eigene Person
Bei der Supervision geht es darum, die eigene berufliche (oder ehrenamtliche) Tätigkeit, die ja in der Seelsorge zu einem großen Teil in persönlichen Beziehungen erfolgt, zu reflektieren und sich damit um ein regelmäßiges "Service" für die eigene Person als das wichtigste "Instrument" dieser Tätigkeit zu kümmern. Supervision ist Praxisbegleitung für Personen, die ihre eigene Person im Rahmen ihrer Arbeit immer wieder ins Spiel bringen müssen — sei es in Gesprächen, Gruppen, Hausbesuchen, in der Vorbereitung und bei der Feier der Sakramente, bei der Predigt, in der Liturgie, in Kursen usw. Sie ist in den meisten psychosozialen Berufen mittlerweile eine Selbstverständlichkeit und sollte dies auch für alle Seelsorgerinnen und Seelsorger sein. Sich nicht um dieses "Service" zu kümmern — das tatsächlich ein "Dienst" an sich selbst und an denen ist, für die man seine Arbeit tut —, ist ebenso unverantwortlich, wie ein Auto nicht regelmäßig zum Service und zur "Überprüfung" zu geben. Ausfallserscheinungen und Unfälle sind dann vorprogrammiert. Hier allerdings geht es nicht um Kontrolle von außen, sondern um Selbstkontrolle mit Hilfe einer außenstehenden, d. h. nicht ins Geschehen unmittelbar involvierten Person, des Supervisors oder der Supervisorin. In der Beziehung zu ihm oder zu ihr und den Beziehungen in der Gruppe kann die eigene berufliche Situation neu lebendig werden, und es können Alternativen und kreative Gestaltungsmöglichkeiten für die eigene Tätigkeit gefunden werden. Supervision ist also ein ständiger Lernprozess, ein notwendiges Stück beruflicher Fortbildung, die man sich nicht nur bei Problemen (etwa Abnützungserscheinungen, Problemen mit Mitarbeitern, Konflikten mit Vorgesetzten. Überlastung usw.) sondern regelmäßig gönnen sollte, weil sie wesentlich zur Berufszufriedenheit und damit auch zur Lebensqualität beitragen kann.
Die Einrichtung und Vermittlung von Supervision für einzelne Personen, für Gruppen und Teams gehört zu den Hauptaufgaben des Referats. Es ist darüber hinaus kirchlichen Einrichtungen, beispielsweise Pfarren, behilflich bei der Planung, Organisation und Durchführung von Supervision, auch hinsichtlich der Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu. Von der Zentralstelle aus werden berufs- und tätigkeitsspezifische Supervisionsgruppen eingerichtet, etwa für die Krankenhausseelsorge, für die Telefonseelsorge, für Priester, Pastoralassistenten und -assistentinnen und Mitarbeiter in den verschiedensten Bereichen der Seelsorge. Bei der Einrichtung von Supervisionsgruppen wird auf die fachliche und persönliche Qualifizierung der Supervisorinnen und Supervisoren, aber auch auf eine kostengünstige Regelung großer Wert gelegt. Eine genaue diözesane Regelung dazu ist ausgearbeitet. Die Supervision in der Gruppe findet nach Bedarf, meist einmal pro Monat anderthalb Stunden lang statt. Vollbeschäftigte Hauptamtliche leisten einen geringen Kostenbeitrag von 400 S pro Jahr, für alle anderen ist die Supervision kostenlos. Neben solchen berufsspezifischen Supervisionsgruppen macht es Sinn, dass Personen, die in einem Team zusammenarbeiten, auch gemeinsam Supervision bekommen. In einer derartigen Teamsupervision kann die Zusammenarbeit hinsichtlich der Probleme und der Möglichkeiten zu kreativer Verbesserung besprochen werden. Wo es notwendig ist, kann auch Einzelsupervision in Anspruch genommen werden.
Beratung und Psychotherapie: Hilfe zur Selbsthilfe in der Seelsorge und im eigenen Leben
Beratung, vielfach ein Schlagwort in Gesellschaft und Kirche, darf, wo es um Personen und ihre Probleme und Chancen zur Entwicklung geht, nicht als Ratgeben durch Experten missverstanden werden, sondern muss als Förderung von Selbständigkeit und Eigenverantwortung begriffen werden. Der Hilfesuchende bedarf der Unterstützung, um seine eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen optimal einsetzen zu können, nicht der Anweisung von außen. Vonseiten des "Beraters" oder Therapeuten sind daher geduldige Begleitung und engagierte zwischenmenschliche Begegnung erforderlich. Überall, wo es um die Gestaltung des eigenen Lebens oder um den persönlichen Glauben geht, kann ja nicht ein Fachmann sagen, wo es lang geht oder was zu tun sei — welcher "Berater" wollte denn von sich behaupten, Fachmann im Leben oder Glauben zu sein oder gar diesbezüglich das Richtige für andere zu wissen? Das heißt aber nicht, dass Hilfe nicht effizient geleistet werden kann. Denn helfen heißt zuhören, mitfühlen, miterleben, Anteil nehmen, von Mensch zu Mensch, ohne professionelle Fassade, ohne zu urteilen, und so die Selbstheilungskräfte zu unterstützen: Der Hilfesuchende kann lernen, sich selbst besser zuzuhören und zu verstehen, sich selbst gegenüber offener und ehrlicher zu sein und damit zu seinen eigenen Fähigkeiten wieder vermehrt Zugang finden, womit sich in diesem Sinne "von selbst" (aber eben nicht allein) neue Wege auftun, die bislang nicht gesehen werden konnten.
Pastorale Beratung meint die Unterstützung bei allen Problemen im Zusammenhang mit der seelsorgerlichen Tätigkeit, seien sie berufsbezogener oder persönlicher Natur. Auch sie kann zu zweit oder in der Gruppe geschehen.
Psychotherapie ist Hilfe in Lebenskrisen, bei akuten und chronischen Problemen durch eigens dafür ausgebildete Personen einzeln, mit Paaren oder in Gruppen. Ein Gesetz regelt in Österreich, wer diese Tätigkeit ausüben darf und welche Methoden dafür zugelassen sind. Die Krankenkassen bezahlen bei Diagnosestellung einen Kostenbeitrag von 300 S pro Stunde. Den Rest — man muss zusätzlich mit etwa 300 bis 800S rechnen — muss man selbst bezahlen. In besonders bedürftigen Fällen kann auch kostenlose Psychotherapie vermittelt werden. Die Dauer wird individuell vereinbart. Über die beschriebene Stelle im Pastoralamt kann zu einem kompetenten Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin überwiesen werden.1
* Adaptierte Fassung eines Artikels in: Und vergib uns unsere Schuld. Jahrbuch der Erzdiözese Wien 1998, Mödling (WMP) 1997, 106f
1 Eine ausführlichere Beschreibung von Supervision, pastoraler Beratung und Psychotherapie findet sich in: Peter F. Schmid, Pastorale Beratung, Psychotherapie und Supervision — Hilfe zur Selbsthilfe in der Seelsorge, in: Pastorale Praxis, Beilage z. Wr. Diözesanblatt 12 (1991) 45-47. Vgl. a. ders., Personale Begegnung. Der personzentrierte Ansatz in Psychotherapie, Beratung, Gruppenarbeit und Seelsorge, Würzburg (Echter) 2.Aufl. 1995; Die Kunst der Begegnung. Gruppenpsychotherapie in der Praxis, Bd. II, Paderborn (Junfermann) 1996, 369-380; Im Anfang ist Gemeinschaft. Personzentrierte Gruppenarbeit in der Seelsorge, Bd. III, Stuttgart (Kohlhammer) 1998: Berufliche Entwicklung durch Begegnung. Personzentrierte Supervision, in: I. Luef, Supervision, Wien 1997; Frenzel, Peter / Schmid, Peter F. / Winkler, Marietta (Hg.), Handbuch der Personzentrierten Psychotherapie, Köln (EHP) 2. Aufl. 1996