Artikel Psychotherapie  

Peter F. Schmid

Personzentrierte Psychotherapie
(Kurzbeschreibung)


Personzentrierte Psychotherapie, begründet von Carl Rogers (1902-1987), bedeutet Persönlichkeitsentwicklung durch personale Begegnung. Das heißt, die Therapeutin (bzw. der Therapeut) bietet der Klientin (bzw. dem oder den Klienten) die Gelegenheit, sich in einer Beziehung von Person zu Person mit sich selbst und den eigenen Einstellungen und Verhaltensweisen auseinanderzusetzen. Dies erfolgt in einem Klima  in dem es möglich ist, sich als der Mensch angenommen und verstanden zu erfahren, der man ist. So können das eigene Erleben und die Gestaltung von Beziehungen weitgehend angstfrei und ohne Abwehr wahrgenommen und verändert werden.

Die Therapeutin ist dazu bemüht, eine tiefe menschliche Beziehung von Person zu Person aufzubauen. Sie schätzt die Klientin, wie sie ist, unabhängig davon, wie diese empfindet und was sie tut, also ohne die Wertschätzung an irgendwelche Bedingungen zu knüpfen, ohne sie zu bewerten oder ihr Verhalten zu interpretieren. Das geschieht, indem sich die Therapeutin in die Welt und das Erleben der Klientin einzufühlen und sie aus ihrer Sicht zu verstehen sucht. So ist es der Klientin nach und nach möglich, auch sich selbst realistischer wahrzunehmen und ein besseres Gespür für sich selbst und die eigenen Möglichkeiten zu entwickeln, sich mehr zu mögen, sich mehr zu trauen und offen zu werden für ihr Erleben und für eine konstruktive Veränderung der eigenen Haltungen und der Beziehungsgestaltung.

All dem liegt die unerschütterliche Überzeugung zugrunde, dass jeder Mensch über die nötigen psychischen Ressourcen verfügt, das eigene Leben zu gestalten. Diese können zwar durch verschiedene Umstände unterentwickelt, beeinträchtigt, lahmgelegt oder verschüttet sein. Sie können aber wieder belebt werden, und die Person kann damit zu ihrer eigenen Power zurückfinden oder diese stärken, ihr Leben mehr und mehr selbst und selbstverantwortlich in die Hand nehmen und die Beziehungen zu ihren Mitmenschen befriedigender gestalten. Diese Fähigkeiten beginnen sich auch im Alltag wieder durchzusetzen, weil durch das Erleben in der geschützten Atmosphäre der Therapie das Selbstvertrauen wächst. Jede Krise wird auch als eine Chance betrachtet: Probleme und seelisches Leiden werden als Blockaden verstanden, die durch einen verbesserten Zugang zu den eigenen, zum Teil ungenützten, zum Teil weiter entwicklungsfähigen Kapazitäten verringert und aufgelöst werden können.

Die Personzentrierte Therapeutin hat ihre professionelle Kompetenz selbst durch eine intensive und langdauernde Ausbildung im Sinne der Entwicklung ihrer eigenen Persönlichkeit erlangt und verbessert sie laufend durch Weiterbildung und ständige fachliche Supervision ihrer Arbeit. Sie handelt daher aus einem tiefen Respekt vor der Person eines anderen Menschen und betrachtet nicht sich selbst, sondern ihre Gesprächspartner als Experten für deren eigenes Leben. In einer solchen existenziellen Beziehung kommen daher auch keine vorgefertigten Techniken oder methodengeleitete Verfahren zur Anwendung. Vielmehr traut die Therapeutin jeder Person zu, selbst den geeigneten Weg in der Therapie zu finden, wobei sie ihre Präsenz, ihre Unterstützung und ihr Engagement anbietet.

Personzentrierte Psychotherapie findet als Einzel, Paar-, Familien oder Gruppentherapie statt, wobei die konkrete Arbeitsweise, die Zahl der Stunden und die Gesamtdauer individuell vereinbart werden. (Oft findet Einzeltherapie eine Stunde, Gruppentherapie anderthalb Stunden pro Woche statt.) In Personzentrierten Gruppen ist die beschriebene therapeutische Selbsterfahrung in verschiedenen Beziehungen gleichzeitig möglich; sie werden Encounter-(Begegnungs-)Gruppen genannt. Die Therapie geschieht als Gespräch oder mithilfe verschiedener anderer (körperlicher, spielerischer, kreativer, künstlerischer usw.) Ausdrucks- und Kommunikationsmöglichkeiten, wobei die Wahl der Mittel den Klienten überlassen bleibt. Sie werden dazu von den Therapeuten unterstützt und begleitet.

Personzentrierte Psychotherapie ist für chronische und/oder schwere Leidensprozesse ebenso geeignet wie für aktuelle Krisen und als Prophylaxe oder zur Erweiterung der Möglichkeiten zur Lebensgestaltung und des eigenen Handlungsspielraums, was durch eine Fülle von wissenschaftlichen Forschungsarbeiten belegt ist.

Peter F. Schmid

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