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Artikel
Psychotherapie
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Peter F.
Schmid
Ein personzentriertes
Konzert
Konsequenzen
und Aussichten nach der Jubiläumstagung der deutschsprachigen Verbände in
Salzburg 2000
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(c) Brennpunkt 2000
Zusammenfassung, Stichwörter |
Abstract, keywords | Resumé
Text | Article
Anmerkungen | Endnotes
Zusammenfassung
Zur Ergebnissicherung werden
aus derzeitiger Sicht die bedeutsamen Vorgänge beim Salzburger
Jubiläumssymposium und die sich daraus ableitenden Perspektiven für die nähere
Zukunft der Zusammenarbeit im deutschen Sprachraum und weltweit sowie für die
Entwicklung der personzentrierten Ansätze festgehalten.
Stichwörter
Internationale Zusammenarbeit und
Vernetzung, Forschung, Berufs-, Gesundheits- und Gesellschaftspolitik, NEAPCCP,
WAPCCP [WAPCEPC], ICCCEP, PERSON, P. R., Ethik.
Resumé
Un
concert centré sur la personne. Conséquences et suites du congrés des
associations germanophones à Salzbourg 2000
Les changements importants décidés lors du congrès a Salzbourg ainsi que les
projets qui en découlent sont rappelés. Il s'agit de la collaboration dans les
régions germanophones et de la collaboration mondiale dans le proche avenir
ainsi que du développement de les approches centrées sur la personne.
Wer hätte
gedacht, dass Mozart einen Beitrag zum Personzentrierten Ansatz zu leisten
vermag?
Von einem
personzentrierten Standpunkt allerdings ist es nicht überraschend, dass wieder
einmal das Klima und die Atmosphäre (so etwa das festliche Dinner mit
Mozartmusik und persönlichen Erinnerungen im barocken Ambiente) dazu
beigetragen haben, auch inhaltlich und im Prozess etwas weiterzubringen: Die
Jubiläumstagung der deutschsprachigen Verbände hat unzweifelhaft entscheidende
Fortschritte auf dem Weg der Identifizierung, Vernetzung und
Professionalisierung gebracht.
Identität wurde sichtbar, Begegnung
erlebt, umfassendere Kooperation hat begonnen: Identität tut dem Ansatz
Not — sie wird nicht durch Beliebigkeit, sondern durch sachliche
Auseinandersetzung möglich; das hat Salzburg einmal mehr gezeigt, wo Beiträge
von Vertretern ganz verschiedener Schwerpunkte und Selbstverständnisse des
Ansatzes Platz gefunden haben, aber auch kritisch deutlich wurde, was im Geiste
Rogers’ und der Grundlagen des Personzentrierten Ansatzes steht und wo die
Leitideen kaum mehr sichtbar waren. Begegnung konnte dank der guten
Zusammenarbeit im Organisationskomitee auf den verschiedensten Ebenen möglich
werden: fachlich, kulturell, menschlich. Die Begegnungen in der Vorbereitung führten
ihrerseits zu einer Unzahl von Begegnungen während des Symposiums, und nicht
wenige äußerten sich überrascht, was dies an Bereicherung und Herausforderung
mit sich brachte. Kooperation auch in Zukunft ist das natürliche
Resultat daraus und die Hinweise, dass die vereins– und länderübergreifende
Zusammenarbeit ein unumkehrbarer Prozess ist, sind nicht mehr zu übersehen. Die
nächsten Schritte sind mittlerweile gesetzt.
Einige diesbezügliche
Ergebnisse aus Salzburg seien im Einzelnen kurz aufgezählt:
- Es
kam zu einem inhaltlichen Austausch verschiedener Standpunkte. Die
von Jobst Finke
in seinem Einleitungsreferat angeführten Gesichtspunkte, verschiedene
Orientierungen innerhalb des Personzentrierten Ansatzes auszumachen — man
kann sich auch andere Einteilungen vorstellen —, können dabei einen
Raster bieten. Wertvoll erscheinen besonders die Hinweise auf allfällige
Defizite, die weiterer Arbeit und Forschung bedürfen. Nachdem lange
vielfach „nebeneinander“ gearbeitet und publiziert wurde, könnte damit
ein Beginn gemacht sein, den Dialog zwischen den verschiedenen
Orientierungen in Gang zu bringen.
- Die
geplante Publikation von Beiträgen aus dem Symposion, die das
Organisationskomitee vorbereitet, könnte dazu bereits einen Beitrag
liefern.
- Sowohl,
was die inhaltlichen Differenzen und Differenzierungen betrifft, wie auch in
Bezug auf die verschiedenen Vereinigungen
erscheint die Zusammenarbeit in politischer und praktischer
Hinsicht ebenso vonnöten, wie es wichtig ist, die inhaltlichen
Unterschiede klar herauszuarbeiten und nicht zu verwischen oder zu
ignorieren. Dass sechzig Jahre nach dem Anfang sich aus einem Paradigma
mehrere andere entwickelt haben, ist ein natürlicher Vorgang und nicht
weiter verwunderlich. Zwischen all den Orientierungen, die sich von Rogers
herleiten, scheint mir der Dialog sehr wichtig — nicht um einander zu
bekehren, sondern um für das eigene Verständnis auf Einseitigkeiten und
Defizite aufmerksam zu werden und es weiter zu entwickeln.
- Daraus
ergibt sich die Sinnhaftigkeit weiterer solcher Veranstaltungen, die
durchaus in einem mehrjährigen Rhythmus stattfinden können, um innerhalb
der Sprachgruppe den Austausch und die Anregung zu fördern. Wünschenswert
wäre dabei auch eine stärkere Darstellung neuerer Entwicklungen und
Arbeiten, durchaus auch im Sinne von „An(–etwas–Heran)–Denken“ und
„experimenteller Arbeit“. In Salzburg war dieser Aspekt ebenso wie jener
der Forschung, dies sei kritisch angemerkt, nicht so deutlich sichtbar, das
inhaltlich Neue fiel nicht so stark auf wie das Praktische und das Atmosphärische.
- Die
Bedeutung internationaler Zusammenarbeit im deutschen Sprachraum für die
anstehenden Verhandlungen und Verbesserungen im gesundheitspolitischen
Bereich liegen – bei aller Unterschiedlichkeit der Voraussetzungen in
den Ländern und Regionen – auf der Hand.
- Daraus
ergibt sich aber auch die weitere internationale Zusammenarbeit auf
europäischer Ebene (Network of European Associations for Person-Centred
Counselling and Psychotherapy – NEAPCCP, wobei jährliche Tagungen in
Zusammenhang mit der Generalversammlung der Delegierten der Mitgliedsverbände
geplant sind; heuer in Ungarn) wie auf Weltebene (World Association for
Person-Centered Counseling and Psychotherapy – WAPCCP, mit den dreijährlichen
International Conferences for Client-Centered and Experiential Counseling
– ICCCEP; heuer in Chicago). Hier ist besonders der Austausch zwischen dem
angloamerikanischen und dem deutschen Sprachraum entscheidend für eine
fruchtbare Weiterentwicklung. (Die SGGT hat dankenswerterweise dem
Sekretariat für beide Verbände in Zürich eine Heimat geboten.)
- Eine
unmittelbare Frucht von Salzburg, wenngleich in Gesprächen seit der
Konferenz der europäischen Verbände in Luxemburg 1998 im Gespräch, ist
die geplante gemeinsame deutschsprachige Fachzeitschrift
(Deutschland, Luxemburg, Österreich, Schweiz), die als wissenschaftliche
und praktische Publikation jenseits von Vereinsmitteilungen, eine länderübergreifende
Plattform für den Personzentrierten Ansatz darstellen soll. Die in Österreich
als vereinsübergreifendes Journal gestartete Zeitschrift PERSON hat sich
ausgezeichnet bewährt. Der „Brennpunkt“ bietet ein hoch respektables
Modell für die Gestaltung. Konkrete Vorgespräche einer Planungsgruppe
haben mittlerweile stattgefunden und das Projekt ist auf dem besten Weg,
rasch, umfassend und professionell verwirklicht zu werden.
- Ein
entsprechendes internationales Fachjournal in englischer Sprache ist
im Weltverband in Planung. Damit soll der Missstand behoben werden, dass
eine der global am weitesten verbreiteten Schulen keine eigene
wissenschaftliche Zeitschrift hat. Von einer Zusammenarbeit zwischen der
deutschsprachigen und der internationalen Publikation könnten beide
profitieren.
- So
kann es (endlich) zu einer entsprechenden internationalen Vernetzung
kommen, die in Überwindung der ursprünglichen, auf Carl Rogers zurückgehenden
Abwehr gegen allzu viel Organisation und Institutionalisierung, welche
kreativitätshemmend und dogmatisierend wirkt, nun schon auf mehreren Ebenen
zu einem vernünftigen Maß an Balance zwischen Kooperation und Eigenständigkeit
geführt hat. Dass dabei auch manche verengte Sicht nur aus dem eigenen
Verein aufgebrochen wird, mag manchmal schmerzen, ist aber im Zuge der europäischen
Entwicklung und der Globalisierung unabdingbar.
- Hier
ist auch auf dem Gebiet der Kommunikation nach außen einiges zu
leisten. Das Image der Personzentrierten Beratung und Therapie bedarf
teilweise einer beträchtlichen Korrektur, wo es durch Verharmlosung oder
Verwässerung gelitten hat. Rogers selbst hat für die P. R. seines
Zugangs zum leidenden und lernenden Menschen eine beträchtliche
Imagekampagne unternommen — von Vortragsreisen und populären Büchern bis
zu Filmen über Videobändern. Rogers hat für den Film „Journey into Self“
1968 einen Oskar bekommen! Wo ist heute ein „oskarverdächtiges“ Produkt
zu finden?
- Der
Zustand, dass mehrere Bezeichnungen für diese Orientierung in der Öffentlichkeit
(Gesprächspsychotherapie, rogerianisch, klientenzentriert,
personzentriert) verbreitet sind, die zudem teils missverstanden
werden, ist nicht gerade förderlich und sollte dringend überwunden werden.
(Freilich muss da mancher traditionell Liebgewordenes aufgeben.)
- Last
but not least kann dies dem Gespräch mit anderen psychotherapeutischen
Ansätzen dienen, die allmählich vom Standpunkt des „Nicht einmal
Ignorierens“ zu einem Dialog mit dem Personzentrierten Ansatz kommen und
ihn in seiner Eigenständigkeit statt bloß als allgemeingültiges
Fundamentum zu sehen. Umgekehrt würde dies für den Personzentrierten
Ansatz zu einem besseren Verstehen seines Eigenen beitragen und Ideen von
Integration und Vermischung mit Ansätzen, die auf anderen Menschenbildern
beruhen, obsolet machen. Dass der Ansatz hier nicht im Modetrend liegt und
der traditionelle Humanismus heute generell ein Frag–würdige Position
geworden ist, mag dabei als förderlich, weil herausfordernd, und nicht als
hinderlich angesehen werden und kann die Bedeutsamkeit des Unterfangens nur
unterstreichen.
- Die
ethische und gesellschaftspolitische Bedeutung eines radikal an der
Person in ihrer individuellen Würde ebenso wie in ihrer gesellschaftlichen
Bezogenheit, an Selbstverwirklichung wie an Begegnung orientierten Ansatzes,
kann auf diese Art deutlicher werden und mehr gefördert werden. Sie ist in
der Welt des anbrechenden 21. Jahrhunderts, wenngleich zum Teil aus anderen
Gründen und in anderen Kontexten, ebenso aktuell wie zu Zeiten Carl Rogers.
Anmerkungen
Finke, Jobst, Wachstum – Konflikt
– Begegnung. Entwicklungstendenzen der Personzentrierten Psychotherapie —
ein Ausblick im Jahr 2000, Vortrag Symposium Identität - Begegnung -
Kooperation, Salzburg, 26. 2. 2000.
Schmid, Peter F., Was
ist personzentriert? Zur Frage von Identität, Integration und Abgrenzung des
Paradigmas aus anthropologischer, erkenntnistheoretischer,
methodisch-technischer, berufspolitischer und ethischer Perspektive, Vortrag Symposium
Identität - Begegnung - Kooperation, Salzburg, 26. 2. 2000; ders., Person-Centered
Essentials — Wesentliches und Unterscheidendes. Zur Identität
personzentrierter Ansätze in der Psychotherapie, in: PERSON 2 (1999).
Autor
Peter F. Schmid,
Univ. Doz. HSProf., Mag. Dr. theol., Praktischer Theologe,
Pastoralpsychologe, Psychotherapeut und Supervisor in Wien und Graz; Begründer
personzentrierter Aus– und Fortbildung in Österreich, Psychotherapieausbilder
des Instituts für Personzentrierte Studien (IPS der APG) und Mitglied im
Leitungsteam der Akademie für Beratung und Psychotherapie in Wien; zahlreiche Bücher
und Fachartikel. Derzeitiger Arbeitsschwerpunkt: Ethische Fundierung der
Psychotherapie und des Personzentrierten Ansatzes.
Korrespondenz:
A-1120 Wien, Koflergasse 4; E-Mail:
pfs@pfs--online.at
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