Artikel Psychotherapie  

Peter F. Schmid

Die therapeutische Beziehung als personale Herausforderung

Vortrag beim 34. Weinsberger Kolloquium
Zugleich Jahrestagung der Ärztlichen Gesellschaft für Gesprächspsychotherapie (ÄGG) 2002
„Selbstentfaltung und therapeutische Beziehung“

(mit R. Tausch •
P. F. Schmid • A. Schmidtke • T. Rechlin • J. Finke • M. Behr • L. Teusch • G.-W- Speierer • H. J. Luderer)
Klinikum am Weissenhof
Weinsberg, Zentrum für Psychiatrie (Prof. H.J. Luderer)
13.September 2002

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Übersicht | Overview
Text | Lecture

Zusammenfassung

Immer mehr setzt sich in den verschiedenen Schulen der Psychotherapie die Überzeugung durch, dass der Beziehung zwischen Therapeut bzw. Therapeutin und Klient bzw. Klientin eine hervorragende Bedeutung als therapeutischer Wirkfaktor zukommt. Dies gilt für die Einzelpsychotherapie wie für die Gruppentherapie. Schon Sigmund Freud hatte herausgefunden, dass die Beziehung zwischen Analytiker und Analysand entscheidend für das Gelingen der Therapie ist, dabei jedoch vor allem die unrealistischen Beziehungsanteile, die er als Übertragung verstand, in den Fokus der Aufmerksamkeit genommen und für die therapeutische Arbeit fruchtbar gemacht. In diametralem Gegensatz dazu hat Carl Rogers bereits um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts die Bedeutung der realen Beziehung zwischen den Therapiepartnern bzw. –partnerinnen betont und zur Grundlage seines Ansatzes gemacht, dass beide als Person in Beziehung treten.

Mit der Bezeichnung als „Person“ wurden in der abendländischen Philosophiegeschichte ein Menschenbild und eine Anthropologie entwickelt, die den Menschen gleichrangig und dialektisch in seiner Individualität und Selbstständigkeit wie in seiner Relationalität und Beziehungs­angewiesenheit zu verstehen suchen. Die Beziehung von Person zu Person wird dabei als Begegnung verstanden, d. h. als unmittelbares Geschehen auf personaler Ebene, das auf bestimmten ethischen, anthropologischen und erkenntnistheoretischen Voraussetzungen beruht.

Carl Rogers hat, in dieser Tradition stehend, ein revolutionäres Paradigma in der Psychotherapie und Beratung entwickelt, das für den Therapeuten bzw. die Therapeutin eine besondere Herausforderung darstellt, weil es ihn bzw. sie selbst als Person in das therapeutische Geschehen unmittelbar, d.h. ohne vorgefasste Mittel, Methoden und Techniken, einbezieht. Die Beziehung dient also nicht nur dem psychotherapeutischen Geschehen (womit sie wiederum instrumentalisiert würde); die Beziehung ist vielmehr selbst die Therapie. Darin unterscheidet sich die Personzentrierte Psychotherapie wesentlich von allen anderen Schulen. Psychotherapie ist demnach ein Vorgang, dem nicht nur eine Persönlichkeitsentwicklung des Klienten bzw. der Klientin zugrunde liegt, sondern das auch eine entsprechende Entwicklung der Person des Therapeuten bzw. der Therapeutin erfordert.

Diszipliniertes und professionelles Vorgehen ist dazu kein Widerspruch — im Gegenteil, eine solche Einstellung und ihre Verwirklichung bedürfen einer entsprechend sorgfältigen, ihrerseits auf Persönlichkeitsentwicklung beruhenden Ausbildung und beständigen Fortbildung.

Der Vortrag versucht, einige dieser Dimension auszuleuchten und diskutiert die praktischen Konsequenzen, die eine genuine Umsetzung eines wahrhaft Person-zentrierten Ansatzes in der Psychotherapie für Therapeutinnen und Therapeuten hat.

Stichwörter

Therapeutische Beziehung, Person, Begegnung, Gegenwärtigkeit, Miteinander, Wir-Perspektive, Interpersonalität, Kokreativität.

Übersicht

I. Der Paradigmenwechsel im therapeutischen Ansatz
II. »Person«-zentriert: Der Mensch als Person
III. Die therapeutische Beziehung als personale Begegnung
IV. Die fundamentale Wir-Perspektive

Hier klicken zum Vortrag.

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