Peter F. Schmid "How to lead an honorable life?" Zur Begrüßung und zum Interdisziplinären Symposion Wien, 20. Mai 2000 |
Ich
begrüße Sie / euch alle sehr herzlich, freue mich, dass so
viele gekommen sind und danke euch dafür sehr. Es ist fein, dass so
viele zugesagt haben, dass es mit dem Platz knapp geworden ist
Es erwartet euch / Sie ein umfangreiches Programm. Es wird ja niemand erwartet haben, dass ich es zu meinem Geburtstagsfest billiger gebe als sonst. Ihr müsst euch also auf einen Leib- und Seelenmarathon einstellen.
Wir haben schließlich ein äußerst tiefgehendes, umfangreiches und komplexes Problem zu behandeln: Wie führe ich ein ehrenwertes Leben? "How to lead an honorable life?" (Shakespeare) Und zwar bis in die letzten Details, wie der zweite Titel, den ich bei einem der genialsten Philosophen, Schauspieler, Psychotherapietheoretiker und Theologen unserer Zeit gestohlen habe, bei Woody Allen.
Das Thema soll also ernsthaft aber nicht humorlos behandelt werden.
Dieser Frage soll heute nachgegangen werden. Es wird nicht verwundern, dass ich wieder die Etymologie befragt habe: Ehrenwert kommt aus der indogermanischen Wurzel „ais“, die „Ehrfurcht, Scheu“ bedeutet. Das entspricht, wenn’s auch manchmal einen anderen Anschein haben mag, dem, wie ich an diese Frage herangehe, scheu nämlich.
Wie ich auf diese Frage gekommen bin?
Erstens stellt man sich die Frage immer wieder, wie man sein Leben ehrlich, verantwortungsvoll, dem eigenen Selbstverständnis oder dem gegebenen Auftrag entsprechend führen kann. Und fünfzig ist ein Alter, in dem sich das anscheinend unvermeidlich aufdrängt.
Schon als Mittelschüler hat mich an den Theaterstücken, die wir im Deutschunterricht besprochen habe, die Fragestellung, die dahinter steht, fasziniert. Beim "Hamlet", beim "Faust", bei Beckett, bei Sartre. Und ich habe zum Theater gefunden, weil ich mir da auf der Bühne immer wieder vorspielen lassen konnte, was mich beschäftigt hat. Der Schauspieler ist daher für mich der lustvollste Prototyp eines praktischen Philosophen und Theologen.
Als Theologe habe ich gelernt, mich immer wieder nach meiner Berufung zu fragen. Und zu wissen, dass das Johannesevangelium sagen lässt: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. (Joh 15,16)
Also, wer ruft mich? Und wohin?
Als Psychotherapeut habe ich gelernt, mich immer wieder zu fragen, ob ich, wie es so schön heißt, kongruent oder authentisch lebe, meinem Potential entsprechend – und ich habe auch da gelernt, dank der Klienten und Ausbildungsteilnehmerinnen und -teilnehmer und der Philosophie, mich nicht nur oder zuerst zu fragen, was ich sage, sondern worauf ich antworte. Ihr wisst es: Nicht nur die Selbstverwirklichung, sondern vor allem die Begegnung ist es, die mich am Personzentrierten Ansatz fasziniert.
Also, wer oder was spricht mich an. Und wie re-agiere ich, handle ich entsprechend.
Zweitens. Das hat mich dazu geführt, mich der ethischen Frage in der Psychotherapie zuzuwenden, ja die Psychotherapie als solche, vor allem die Personzentrierte ethisch (und nicht traditionell anthropologisch) zu fundieren – ein Zugang, den ich seit den lange zurückliegenden Zeiten meiner Reisen mit dem jetzigen Wiener Moraltheologen, Günther Virt, immer wieder gefunden habe und den mir zuletzt Emmanuel Levinas eröffnet hat – ein Zugang, der meines Erachtens die humanistische Philosophie in einem völlig neuen Licht erscheinen und angeblich modernere, etwa nur-systemische oder methoden- und technikfixierte Ansätze ziemlich alt ausschauen lässt. Und ich hoffe, bis zum nächsten Weltkongress für Psychotherapie in Wien im Sommer 2002, der dem Thema „Ethik und Werte“ gewidmet ist, ein Stück dieser Arbeit vorlegen zu können.
Drittens. Als Praktischer Theologe – und das ist es, als was ich mich zutiefst verstehe – habe ich allmählich zu begreifen gelernt, was der klassische Dreischritt "sehen - urteilen - handeln" für ein revolutionäres Potential hat, politisch (gesellschaftlich, kirchlich) wie individuell (also auch ganz persönlich für mich). Und ich habe einen Blick dafür entwickelt, Theologie von unten nach oben, nicht von oben nach unten zu treiben, unser Leben und Zusammenleben und die Erfahrungen dabei als locus theologicus zu begreifen – und damit auch als „way of being with“. Auch mit dem, den ich mit Scheu – „ehrfürchtig“ eben – als den ganz Anderen und den ganz Inneren immer wieder zu erfahren meine, eine Erfahrung, die die Menschen seit alters her „Gott“ nennen. Die Erfahrung als höchste Autorität in der Tradition von Carl Rogers und das, was die Theologen mit „Offenbarung“ bezeichnen, sind in dieser Sicht zwei Seiten einer Medaille. Das gilt für die „Offenbarungen“ eines Klienten ebenso wie für die trinitätstheologischen Aussagen, von denen wir allmählich wieder zu begreifen beginnen, dass sie nicht bezugslose Spekulationen sind, sondern offenbar machen, wie wir uns selbst besser verstehen können. Ohne die Spannung der beiden Disziplinen im geringsten ignorieren zu wollen – im Gegenteil: ich meine, sie müsste noch deutlicher herausgearbeitet werden und der Widerspruch müsste viel mehr zum Disput, zum Streit, zur Forschung anregen, als dies die feige verdrängenden Therapeuten und die so leicht zur vorschnellen Vereinnahmung neigenden Theologen tun. Ich will mit meinem kleinen Theaterstück heute einen Beitrag dazu leisten.
Nicht nur von Woody Allen habe ich gelernt, dass man nicht mit verbissenem Fragen, sondern nur mit einer großen Gelassenheit und Heiterkeit an diese Fragen herangeht. Sein Stück „Gott. Ein Drama“, eine unglaublich tiefgehende Satire auf alles, was Theaterleuten, Philosophen, Theologen und Psychologen heilig ist, war meine erste Produktion im später BRETTERHAUS genannten Theater. Ich bin heute überzeugt, dass es kein Zufall war. Oder doch ein Zu-Fall. Also, dass es mir mehr zugefallen ist, als dass ich es ausgesucht hätte.
Ich leiste mir heute den Luxus, von einer Schar erlesener Referentinnen und Referenten einen Beitrag zu dem Thema zu bekommen, das mich so immer wieder beschäftigt.
Meinen eigenen Beitrag zum Thema habe ich als dramatische Vignette verfasst. Und er soll am Schluss des Symposions heute Abend stehen. Eine Verfremdung, mit der ich mir ebenso einige Anfragen an meine beiden wissenschaftlichen Heimaten gestatte, wie ich mir einmal kein Blatt vor den Mund genommen habe, um meinen Spott über billige Lösungen und die Verdrängung von Wirklichkeit auszuschütten. Dort werden dann ebenso die Titelfragen des Symposions wie alle die vielen Fragen, die heute hier – so erwarte und hoffe ich – aufgeworfen werden, endgültig und definitiv beantwortet... Sie müssen sich nur noch ein paar Stunden gedulden...
Ich möchte an dieser Stelle allen danken, die mich auf diesen Weg gelockt, gestoßen, verführt, gedrängt, begleitet, gezogen, ausrutschen lassen und alles Mögliche andere haben. Und auch denen, die mir im Weg gestanden sind und sich mit mir auf eine Auseinandersetzung darüber eingelassen haben, wohin der Weg führt und welche anderen es gibt.
-
Allen voran meiner Frau Lilly und meinen Kindern, David und Miriam,
- dann meinen Freundinnen und Freunden
- und meinen Berufskolleginnen und Kollegen
- und den ehemaligen und gegenwärtigen Studentinnen und Studenten und Aus- und
Weiterbildungsteilnehmerinnen und –teilnehmern auf der theologischen wie auf
der therapeutischen Seite.
Ich verhehle nicht, dass es mir einen klammheimlichen Spaß bereitet, sie heute
hier zusammen her gelockt zu haben und wünsche mir viel wechselseitiges Staunen
über so viel anderweitiges Kauderwelsch.
Viele
unter euch, unter Ihnen, betrachte ich als meine Gönner und Förderer, ohne
dich ich nicht dort wäre, wo ich heute bin. Drei ganz entscheidende sind leider
nicht da:
Ferdinand Klostermann, bei dem ich Lust an der Theologie wie am Leben wie
zwischen Mitternacht und vier Uhr früh gelernt habe; er ist schon vor längerer
Zeit verstorben.
Adalbert Wegeler, ebenfalls verstorben, der sich viele Jahre geduldig hinter der
Couch das ganze Register meiner Versuche, mir selbst davonzulaufen, angehört
hat.
Und Douglas Land, der wieder in La Jolla lebt, bei dem ich gelernt habe, dass
die wichtigsten Momente in Encounter-Gruppen wie im Leben die sind, in denen man
den Überblick und den Durchblick verloren hat.
Ich möchte an dieser Stelle auch die Gelegenheit benützen, allen jenen, die mich vor wenigen Jahren in einer beruflich wie persönlich äußerst schwierigen Zeit unterstützt haben, einmal in aller Öffentlichkeit danke zu sagen. Besonders bin ich euch für die Solidarität dankbar: Marietta (Winkler), Peter (Frenzel), Josef (Pennauer), Lore (Korbei) und Ingeborg (Rosenmayr).
Für
den heutigen Event danke ich
- allen
Familienmitgliedern und Freunden, die seit vielen Wochen die Backöfen zum Glühen
und die Dressiersäcke zum Quetschen gebracht haben,
- besonders der Lilly, die angesichts von 150 Kaffeehäferln samt Löffeln,
Untertassen, Zucker und Kandisin zwar schlaflose Nächte hatte, aber nicht davor
kapituliert hat,
- allen Helferinnen und Helfern, die sich in Geduld durch die Regiebücher des
Tages und Abends gearbeitet haben,
- meinem
Schwiegervater, den den Wein aus seinem Winzergut spendiert hat,
- Uschi
Lechner, die immer die freundlichen Worte auf eure Anrufbeantworter und
Mobilboxen spricht,
- den
Referentinnen und Referenten des Symposions, die die Unmöglichkeit auf sich
genommen haben, in jeweils fünf bis zehn Minuten die eher nicht so simple
Materie des heutigen Themas zu behandeln – ich bin irrsinnig auf eure Beiträge
gespannt
- Franz
Knapp, dem BRETTERHAUS-Musikchef, Freund und Musikanten, der mir immer wieder
ein Universum erschließt und sich nicht zu gut ist, sogar mit mir über Musik
(und) nicht nur zu reden, sondern sie mit mir zu machen (ich habe immer wieder
behauptet, dass nur die wirklich musikalisch sind, die es neben mir aushalten
und sich nicht drausbringen lassen, wenn ich singe) – er hat die Missa Jahwe
komponiert, die heute wieder aufgeführt wird
- Prof.
Willi Zauner, der so lange auf mich eingeredet hat, endlich meine Gedanken zu
Papier zu bringen und eine Dissertation aus dem zu machen, worüber ich mit ihm
immer wieder geredet habe und mittlerweile deshalb an zehn Büchern schuld ist
– er wird mit uns heute Eucharistie feiern und ich lade alle dazu herzlich
ein, auch diejenigen, die sich sonst nicht in einen Gottesdienst verirren würden
- meinem
Freund Franz Krassnitzer, der eure Körper in Bewegung bringen und jene Musik
zum Erklingen bringen wird, als man Musik noch wirklich anhören konnte, nein im
Ernst: Franz hat mit viel Liebe Scheiben und Bänder mit jenen „Schlagern“
und Hits zusammengetragen, die uns, „seinerzeit“ schlank hielten und er wird
als DJ für die entsprechende Stimmung heute Nacht sorgen
- besonders
meinem Freund Thomas, der die Idee zu dem Symposion hatte und es und dieses
gesamte Fest vorbereitet und organisiert hat. Endlich jemand, für den Wahnsinn
ein vertrautes Thema ist. Als Dank
dafür durftest du ja nicht nur den Text für das Stück heute auswendig, lernen
sondern darfst es auch noch spielen. (Danke auch dafür.)
Ich wünsche euch und mir ein spannendes und unterhaltsames, geistreiches, seelenvolles und sinnen- und leibhaftiges Fest.
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